Joschi und der Hundeflüsterer

hin und wieder trifft man ungewöhnliche menschen. vor ein paar tagen war ich in der mittagspause mit einem freund im thailändischen imbiss. joschi war dabei und dominierte wie immer den mittelgang mit ganzem körpereinsatz. während mein freund sich ein späßchen daraus machte, jedesmal, wenn die thailändische bedienung an uns vorbeiging dinge zu sagen wie:

„pass auf joschi, gleich kommst du in den topf“

oder

„heute abend steht sicher tibet terrier im ausbackteig auf phuket-art auf der speisekarte“

und ähnliche dinge, betrat ein mann den imbiss. er fiel mir gleich auf, da er in seiner erscheinung ganz und gar ungewöhnlich war. ziemlich alt, ich schätze mal gut in den siebzigern, für sein alter ungewöhnlich groß und immer noch athletisch breit gebaut. obwohl er schwer ging und offensichtlich probleme mit den knochen hatte, wirkte er auf seine art imposant. fast schulterlanges, schneeweißes, glattes haar. ein flächiges gesicht, blaue augen hinter einer brille. ungewöhnlich für einen mann seines alters war auch sein kleidungsstil. schwere lederjacke und eine art reiterhose in ebenfalls schweren lederstiefeln, um die körpermitte trug er eine ledertasche. er bestellte an der theke etwas und schlurfte anschließend mit einem teller reis an uns vorbei und nahm ein stück hinter uns platz. nicht, dass ich menschen immer so genau betrachte, aber er zog einfach meine aufmerksamkeit auf sich. im ersten moment dachte ich: “ was ist das denn für ein penner“ (man möge mir verzeihen), als ich ihn jedoch genauer ins auge nahm stellte ich fest, dass er sehr gepflegt wirkte. nix penner. eher marke exzentriker. gebrechlicher exzentriker.

um den nun folgenden teil zu verstehen, braucht es für joschi-unkundige leser ein paar kurze, erklärende worte: joschi ist ein mittelgroßer, schwarzer hütehund marke tibet terrier, der durch ebenfalls exzentrische charaktereigenschaften besticht. wer mag, kann sich gerne auf meinem blog unter der kategorie hunde einen überblick verschaffen. eine von joschis vielen besonderheiten ist, dass er es gar nicht schätzt, von fremden männern einfach so angefasst zu werden. da wird er in der regel ungemütlich, was sich durchaus in gefletschten zähnen, lautem, anhaltendem bellen und vielseitigem dominanzverhalten zeigt. wann und von wem er angefasst werden will und darf, entscheidet er grundsätzlich selbst. ansonsten reagiert er abweisend bis feindselig. soviel der erklärenden worte. denn was sich in dem imbiss in den folgenden etwa 15 minuten abspielte, entzieht sich meinem verständnis und ich frage mich bis heute, ob das wirklich mein hund war und dass ich ihn vermutlich gar nicht richtig kenne und verstehe.

es begann damit, dass der mann zahlte und, während er sich anzog, von hinten joschi mit den worten ansprach:

„was schaust du mich an? du bist ein guter hund. du bist mein freund, nicht wahr?“

dann lachte er. joschi bezog im mittelgang stellung und nahm ihn ins visier.

als nächstes stieß der mann einen kurzen, kleinen aber prägnanten pfiff durch die zähne aus. joschi bellte laut auf.

„das kann jetzt heiter werden“, sagte ich zu meinem freund, „jetzt bellt er hier den armen, alten mann und den ganzen laden zusammen.“

der mann näherte sich und joschi bellte laut und kräftig in seine richtung, so dass ich ihn an der leine zu mir heranzog um den mann durchzulassen. der aber blieb stehen und bat mich freundlich, den hund doch ruhig gehen zu lassen, er meine es ja nicht böse. joschi bellte weiter, verhielt sich jedoch anders als sonst. anstatt, wie gewohnt vor dem fremden stehen zu bleiben, ihn zu fixieren und zu kläffen wie ein werwolf, wuffte er mit tiefer stimme herum und lief ein wenig im kreis umher und bellte mal hierhin, mal dorthin. seltsam, dachte ich, das hatte ich an ihm so auch noch nicht gesehen.

der mann beugte sich zu ihm herab und streckte ihm seine hand hin. normalerweise hasst joschi das. jetzt aber schnupperte er und gab komische grummellaute von sich. immer wieder strich der mann joschi mit seiner hand an der nase vorbei und sagte:

„hunde sind nasentiere, geht alles über die nase. gell, mein freund, du bist ein guter hund.“

joschi bellte nicht mehr und strich seinerseits immer wieder mit nase und schnauze an seiner hand entlang. und tat schließlich etwas sehr verblüffendes. er setzte sich direkt vor den mann, beugte seinen kopf zum boden und unterwarf sich. ich vermute mal, dass mein mund offen stand, während ich zusah.

dann stieß der mann wieder diesen pfiff aus, joschi erhob sich und wuffte zurück. der mann pfiff erneut, und joschi wuffte zurück. so ging das eine ganze weile, wobei joschi eine breite palette mir bislang unbekannter joschigeräusche von sich gab und sich hin und her bewegte. mittlerweile hing mein unterkiefer vermutlich in meiner ente kross gebraten. leicht ungläubig schielte ich zu meinem freund rüber, der zu mir rübermurmelte:

„dein hund spricht mit ihm.“

der mann und joschi waren völlig vertieft in das, was sie taten, und während ich dem seltsamen schauspiel folgte beschlich mich das gefühl, dass ich absolut null ahnung von meinem hund habe. lacht nicht, aber er wirkte irgendwie wie ein wolf, frei und wild, ich kannte ihn plötzlich gar nicht mehr. für einen moment war magie im raum, eine tür öffnete sich einen spalt breit und gewährte mir einen kurzen blick in die weite der steppe und die natur des hundes. so zumindest fühlte ich mich.

„keine angst, ich kann mit hunden sprechen,“ sagte der mann leise lachend.

„das habe ich auch gerade gemerkt, “ antwortete ich.

er schaute mich an und sagte:

„sind sie gut zu dem hund. sind sie gut zu ihm. das ist ein guter hund. er hat noch etwas sehr urtümliches und ursprüngliches. die hunde, die man da draußen so trifft, haben das kaum noch. nur selten reagiert einer auf meine sprache. aber ihrer, der tut es, sind sie gut zu ihm, er ist was besonderes.“

dann verbeugte er sich kurz und ließ uns mit den worten:

„bleiben sie mir gewogen“

verblüfft und mit offenem mund zurück. bevor er die tür hinter sich zuzog, stieß er noch einen letzten, kurzen pfiff aus.

„WUFF“

antwortete joschi. und mit einem herzhaften lachen schloss sich die tür hinter ihm.

zurück blieben zwei verblüffte menschenkinder, ein sehr zufriedener hund und etwa 5 thailändische bedienungen, an denen die magie der situation gänzlich vorbeigegangen war. in ihren ziemlich genervten gesichtern stand eindeutig geschrieben: der küchenchef empfiehlt heute abend: tibet terrier im ausbackteig auf phuket-art.

„pass auf, du kommst sonst in den topf“

stieß mein freund noch einmal schelmisch grinsend zwischen den zähnen aus, bevor wir den imbiss verließen.

ich hoffe, ich sehe den mann wieder, ich möchte doch zu gerne wissen, was da vor sich gegangen ist. ich glaube, er kann mir das erklären, der hundeflüsterer.

33 Gedanken zu „Joschi und der Hundeflüsterer

    • hab ich auch überlegt, aber ich tippe vielmehr auf jemanden, der viele jahre mit wölfen in der steppe gelebt hat oder so. ach ja, es lebe die fantasie.

      tatsächlich werde ich ihn einfach mal fragen müssen, wenn ich glück habe und ihn wiedersehe 😆

      liebe grüße, katerwolf

  1. eine beeindruckende geschichte und schön, dass es solche Menschen gibt. unangepasst und frei auf ihre art.
    du hast wirklich gedacht, das sei ein penner? ich freu mich immer, wenn ich dergleichen gestalten sehe, gerade im fortgeschrittenen alter. das stimmt mich hoffnungsvoll, irgendwie.

    • unangepasst und frei – das hast du auf den punkt getroffen. ich freue mich auch immer, wenn ich auf so jemanden treffe. dennoch, ich gestehe, war das mit dem penner mein erster gedanke *schäm*

      ich wünsche dir einen schönen sonntagabend, liebe grüße, katerwolf

  2. Irre Geschichte. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es Menschen gibt, die einen ganz besonderen Draht zu Tieren haben.
    Eine wundervolle Begegnung eines besonderen Hundes mit einer besonderen Hundebesitzerin und einem besonderen alten Mann! Und ich wünsch Dir, dass Dir dieser Mann eines Tages noch einmal über den Weg läuft.

    Liebe Grüße
    und einen schönen Abend

    • vielen, lieben dank ♥

      ich denke auch, dass ich ihn nochmal treffe und wenn ich jetzt monatelang mittags thailändisch essen muss dafür 😉

      liebe grüße und noch ein schönes wochenende, katerwolf

  3. Was auch immer passiert sein mag, liebe Katerwolf, du hast die Begegnung mit einem sehr interessanten Menschen gehabt. Es gibt Begegnungen, die wir nicht vergessen und angenehm in unseren Herzen behalten. Ob du ihn wiedersehen wirst oder nicht 🙂 Das war ein besonderer Moment.

    Liebe Grüße, deine Emily

  4. Liebe Katerwolf,
    ich glaube es gibt einfach zwischen manchen Menschen und manchen Tieren Beziehungen die man nicht erklären kann und auch nicht muß. Das ist wie bei Menschen untereinander, Sympathien und deren Gegenteil und es gibt eine stumme, gefühlte Verständigung. Eine Nachbarin neben meiner Werkstatt hat einen großen, schwarzen Labrador und ich liebe ihn seit ich ihn das erste mal, als Welpe gesehen habe, er ist anderen Menschen gegenüber durchaus mißtrauisch und skeptisch (sowohl Frauen als auch Männern gegenüber, knurrt auch schon mal ohne für uns ersichtlichen Grund) aber wenn er mich nur sieht grinst er (ich schwöre Dir, der Hund GRINST) mich breit an und verhält sich so das seinem Frauchen die Spucke wegbleibt! Ich sehe ihn sporadisch so ca. 14 tägig und habe ihm noch nie auch nur das kleinste Leckerli gegeben und doch liebt er mich heiß und innig, ich bin die einzige die ihm die Ohren massieren darf und er wird dabei so still als habe ihn jemand narkotisiert. Vielleicht haben sich Dein Hund und dieser Herr genauso gefunden und erkannt!!!
    Ich finde solche Erlebnisse sehr magisch, sie rühren mich tief an und lösen bei mir eine große Dankbarkeit aus!!
    Schönen Sonntagabend noch mit Deinem verzauberten Hund! ;o)
    Jule

    • hey jule, du bist AUCH eine hundeflüsterin, jetzt weißt du es 😆

      vermutlich hast du recht, dass es auch zwischen menschen und tieren sympathien und antipathien gibt. ich merke es ja auch mit den pferden, dass es so ist. joschi hat da wohl jemanden getroffen, der sich mit ihm verständigen konnte.

      ich habe mir überlegt, dass er vielleicht mal schäfer war oder hundetrainer oder eben der große, geheimnisvolle hundeschamane 😆

      alles liebe und danke, katerwolf

  5. Boah, der kennt sich mit Hunden aus, keine Frage.
    Der hatte auch schon mit schwierigen Hunden zu tun, denke ich.
    Der ist ein Hundeflüsterer, würde ich auch sagen.

    Aber dass man so einen Menschen tatsächlich mal mir nichts dir nichts trifft, das ist der Hammer.
    Dein Joschi ist sowieso ein besonderer Hund, der soviel Facetten hat, einige davon konnten wir hier ja schon kennenlernen.
    Wahnsinn – irgendwie!
    Liebe Güße

    • mich hat das alles auch sehr beeindruckt, mensch und hund gleichermaßen. und ja, da hast du recht, wenn man jemandem trifft, der einfach etwas besonderes kann und macht und einen dadurch so in erstaunen versetzt, das ist schon der hammer. war echt ne schöne begegnung 😆

      liebe grüße, katerwolf

  6. Hihi, monatelang thailändisch essen gehen wäre nicht schlimm, würde ich sagen. Ich mag das sehr, sehr gerne. Leider hat das thailändische Restaurant hier schon vor längerer Zeit geschlossen. Ich melde mich also freiwillig, falls Du mal eine Begleitung suchst… 😉 Und Du kannst ganz sicher sein, dass ich Joschi keinen Kochtopf oder so etwas ähnliches androhe. Ich ziehe oftmals auch sämtliche Hunde und Katzen an, was deren Besitzer dann nie für möglich gehalten hätten. Mein Mann wundert sich darüber schon lange nicht mehr.

    Liebe Grüße
    und gute Nacht

    • lustig, ich bin auch so eine tierfalle. die tiere versuchen auch gerne, auf meinen schoß zu klettern, kleinere tiere jedenfalls, pferde natürlich nicht 😉

      ich mag thailändisches essen auch sehr gerne, dann sollten wir mal zusammen essen gehen, vielleicht treffen wir den hundeflüsterer dann auch. ihr beide erkennt euch sicher gleich 😉

      liebe grüße, katerwolf

  7. Toll! Ich drück Dir die Daumen, dass Du diesen Herrn wieder triffst. Ganz egoistisch natürlich, um meine Neugierde zu befriedigen, denn auch mich würde es brennend interessieren, was für eine Lebensgeschichte dieser Mann hat… 😉
    Liebe Grüße vom Timmy! 😆

  8. Hallo Katerwolf,
    ich musste auch gleich an einen Schäfer denken, die verständigen sich auch oft durch Pfiffe mit ihren Hunden. Dann würde es auch Sinn machen, dass nicht jeder Hund darauf reagiert, denn die meisten Hunderassen eignen sich nicht zum Hüten.
    Die Geschichte ist sehr schön und irgendwie mystisch. Den Herren hätte ich auch gerne gesehen. Es gibt Menschen, die sind nicht mal unbedingt besonders schön vom Äußerlichen, aber sie ziehen uns einfach in ihren Bann, weil sie so geheimnisvoll sind.
    Liebe Grüße und einen schönen Tag wünscht,
    Nissa

    • liebe nissa, ich fand die begegnung auch irgendwie mystisch und fantasieankurbelnd. und was du über menschen schreibst, die einen in ihren bann ziehen, sehe ich genauso. es gibt da so eine gewisse ausstrahlung, der man sich nur schwer entziehen kann *geheimnisvollkuck*

      alles liebe, katerwolf

  9. Eine schöne Geschichte! Ja, manchmal begegnen einem gänzlich unvorbereitet ungewöhnliche Menschen, die man nie mehr vergisst. Ich bin überzeugt, auch für deinen Joschi, war das eine beeindruckende Begegnung, die er bestimmt sehr genossen hat. Ich drücke euch die Daumen, dass ihr euch noch einmal begegnet.
    LG von Rosie

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  11. Ein Hundeflüsterer! Sagenhaft! Ich hoffe doch sehr, dass du diesen Typen eines Tages wieder triffst!…
    … Mieze Smokey ist Fremden gegenüber ausgesprochen scheu und zurück haltend. Vor einigen Jahren nahm ich mal eine Kollegin zu mir, eine Studentin der Tiermedizin. Bereits nach wenigen Augenblicken strich Smokey dem Mädel schnurrend um die Beine und machte ihr Avancen, die bislang nur mir vorbehalten gewesen waren…
    Herzlichst!

  12. Liebelein, es gibt Menschen die sehen ein Tier nur an und irgendwie haben sie auch schon ne beziehung aufgebaut. Aber das ist wahnsinnig selten. Ich hab bisher nur zwei gekannt die das konnten.
    Vieleicht findest du ihn wieder, den Hundeflüsterer. Schließlich begenet man sich immer zweimal im Leben. 😉
    LG
    Dorli

  13. Ich lese deinen Blog heute das erste mal und dann gleich so eine Geschichte. Wow, diesen Mann würde ich auch gerne mal kennen lernen, hoffentlich triffst du ihn wieder.
    Dein Blog gefällt mir übrigens sehr.
    Liebe Grüße
    Marina

    • liebe marina, herzlich willkommen auf meinem blog und ich freue mich natürlich sehr, dass er dir gefällt *juhuuuu* 😆

      ja, ich hoffe auch, ich treffe ihn wieder. ich habe im leben schon den einen oder anderen ungewöhnlichen menschen getroffen, nicht viele, aber er gehört dazu.

      alles liebe für dich, katerwolf

  14. Ach wie schön, die Geschichte gefällt mir. Solche Begegnungen sind erstaunlich, wenn sie vorkommen, leider hört man öfter davon, als daß man sie selbst erlebt. Umso besonderer! Tiefes Wuffeln ist damals eines meiner Lieblingsgeräusche bei meinem Hund gewesen, meistens war es aber ein tiefes Wuff-Blaffen bei aufregenden Situationen (und z.B. Erspähen interessanter Dinge).

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