Rehageflüster: Der Schimmelreiter

nein, das watt hat mich nicht verschluckt. ich lebe noch. und das sehr gut. mein längeres schweigen hängt damit zusammen, dass meine familie da war. was sehr schön war. wir haben viel unternommen und die gemeinsame zeit genutzt und genossen. am sonntag sind sie wieder zurückgefahren und ich habe mir endlich meinen wunsch erfüllt, ins watt auszureiten. 2 1/2 stunden. wie schön das war! während ich auf meiner schimmelstute in vollem tempo durch das watt preschte, wasser und schlamm auf mich spritzte, links das wasser, rechts der endlose strand, über mir der blaue himmel, dachte ich mir einfach nur:

„was ist das leben doch wunderschön. ein kostbares juwel. eine schatztruhe, aus der man schöpfen kann.“ (okay, ab und an ist das leben auch so richtig mies *mit dem kopf nick* aber nach regen kommt sonne *noch mehr mit dem kopf nick*).

beim ausritt war auch ein etwa 14-jähriges mädchen auf einem welsh-pony dabei. dieses pony war kaum größer als ein schäferhund und hieß wie ich. das mädchen ritt unmittelbar vor mir und quatschte in einem fort. total irre. ich schaltete irgendwann auf durchzug, ihr pferd war, unter der quasselstrippe befindlich, in einer denkbar ungünstigeren position. sie quasselte nicht nur, sondern trommelte dauernd mit der reitgerte auf dem armen tier herum und riss ihm im maul. das pony aber sah, sobald wir den schützenden wald verließen und die weite des watts betraten, seine chance. und nutzte sie. zuerst einmal ging es durch. ich hätte nie im leben gedacht, dass so ein kleines pony so schnell rennen kann. im geraden weg auf das meer rannte es los wie speedy gonzales. wir anderen sahen erstaunt dem am horizont rasch kleiner werdenden, schwarzen punkt hinterher.

dann kam es zurück. genauso schnell. bre kurz vor uns stehen und stieg und buckelte und sprang hoch wie ein flummi. und schmiss seine reiterin sehr professionell ab. frau quasselstrippe packte daraufhin die wut und sie stieg wieder in den sattel. das pony verhielt sich artig, hatte aber offensichtlich noch nicht fertig und schmiss seine reiterin kurz darauf ein zweites mal ab. sehr gekonnt. mitten ins wasser. respekt. ich hätte dem pferdchen gerne beifall geklatscht. das war ne 1 A vorstellung. und es tat das einzig richtige: sich der nervbeule zu entledigen. die bekam daraufhin nämlich die rote karte, musste das pferd wechseln und – oh wunder – hielt auf dem rückweg konsequent die klappe. ich hoffe, dass wir wieder so ein schönes wochenende bekommen, dann wage ich es ein zweites mal.

die letzten 2 tage war ich ein fleißiges reha-bienchen. ich habe geturnt, habe mich entspannt, tief geatmet, hab die beinchen geschwungen und die ärmchen gedreht, mein seidentuch fertig gemalt und an einem schreib-workshop teilgenommen. jaaa, das alles kann man hier machen. die reha ist wirklich toll. und die machen hier auf föhr richtig gute arbeit. danke. danke. danke.

und gestern ist etwas sehr schönes passiert. irgendwann im laufe des morgens, ich kam grad mächtig entspannt aus dem strech und relax-training raus, spürte ich plötzlich etwas in meiner brust und in meinem kopf. ein ungewohntes, sehr wohliges gefühl. irritiert griff ich reflexartig mit beiden händen zur brust und zum kopf. und dann fühlte ich, wie sich etwas in mir löste. wie ein fester knoten, an dem man seit einer halben ewigkeit erfolglos herumschaffte und der sich mit einem mal löst. ich bin total glücklich darüber. es ist nicht nur entspannung, es ist mehr. ich glaube, ich habe einen großen teil angst losgelassen. die angst zu sterben. die sich wie ein knoten in brust und kopf verhärtete und mich abgrenzte. diese grenze hat sich nun aufgelöst. seit gestern habe ich das gefühl, dass alles gut ist. gut wird. ich fühle mich sehr befreit. mir ist klar geworden, dass ich durch meine angst sehr blockiert war. mehr, als mir bislang bewusst war. schön, zu spüren, dass man wirklich loslassen kann. ob das so bleibt? wie lange das so bleibt? keine ahnung. heute geht es mir so richtig gut 😆

32 Gedanken zu „Rehageflüster: Der Schimmelreiter

  1. Schön! Dann war die Vermutung, dass du nicht schreibst, weil du besseres zu tun hast also richtig… Die Geschichte mit dem Pony kann ich mir lebhaft vorstellen, hast du ja wunderbar beschrieben, aber was den Seidenschal angeht: Fotos bitte!

  2. Vielen Dank, für die mal wieder lustige, sehr schön bildhaft beschriebene Geschichte.
    Auch ich hoffe, hier mal einen Blick auf Dein Seidenmalwerk werfen zu dürfen 😉

    Das mit dem Knoten lösen hört sich sehr gut an und das was Dir in Deiner Reha so alles geboten wird, hat wohl gute Arbeit geleistet.

    Lieben Gruss sue

  3. Ich kenn Dich nicht (Sie nicht? – ach, ich weiß nie, wie ich jemanden im Blog ansprechen soll…sorry dafür), aber ich lese hier ja schon eine ganze Weile. Und heute freu ich mich einfach, weil’s Dir/Ihnen so gut geht und weil das alles so sprüht vor Leben und Lust und Freude.
    Das wollte ich grad einfach mal loswerden…
    Meine Mutter fährt in zwei Wochen auf Reha und ich kann nur hoffen, dass sie einen Bruchteil dessen mitbekommt, mitnimmt, was Du aus Deiner Reha mitnimmst.

    • liebe exilbayerin, DU passt schon 😉
      lieben dank für deinen kommentar, bei dem es mir ganz warm ums herz wird!

      ich wünsche deiner mama nur das beste und auf dass sie die reha bis zur neige nutzt!!!

      alles liebe, katerwolf

  4. Ich konnte mir deine kleine „Nervbeule“ gut vorstellen 😆 Schlaues Pony 😉
    Es freut mich zu lesen, daß es dir so gut geht *festedrück*

    Alles Liebe, Emily

  5. Das ist so ein unbeschreiblich schönes Hochgefühl, wenn sich der Knoten aus Angst, Zwang, Druck und Vorbehalten löst, nicht wahr! 😀
    *Hähä* 😆 Dem Welsh-Pony hätte ich eine Extra-Ration lecker Fressen spendiert!
    Liebe Grüße!

  6. Liebe Katerwolf, das freut mich sehr, dass es Dir da so gut ergeht und Du das Gefühl hast, die Kur bewirkt wirklich was. So soll das sein, wunderbar! Genieße die Tage und danke für die schönen Berichte. Da tut es mir fast leid, dass ich nicht reiten kann 😉
    Liebe Grüße von Jenneke

  7. Hach, freut mich dass es Dir gut geht und ich glaube, dass Du selbst sehr viel dazu beiträgst, in dem Du Dir das bewusst machst. So ein geplatzter Knoten hat eine entsprechende Wirkung. Das ist vielleicht ein bisschen wie beim Gewitter. Es fühlt sich gut an, wenns denn rum ist, man ahnt auch, das war nicht das letzte, aber man vertraut auf das gute Gefühl. Ich wünsch Dir eine große Schatzkiste fest in Dir drin verankert, wo das Gefühl von heute seinen Platz bekommt, sich selbst am Leben erhält und parat steht für den Fall der Fälle.
    Kaktus

  8. Hm, vielleicht liegt das ja doch an dieser wunderbaren Insel?
    Ich hatte (am anderen Ende, Klinik Sonneneck) vor gut einem Jahr ein ganz ähnliches Erlebnis. Am Ende der 3. Trancereise während der Reha hatte ich das Gefühl absoluter Sicherheit und Gelassenheit. Ich wusste, dass mir in diesem Moment nichts, aber auch gar nichts, passieren konnte, UND ich hatte das Gefühl, ich könnte jederzeit wieder an diesen Punkt kommen, wenn ich es nur wollte. Ich habe es seitdem nicht noch einmal versucht, aber ich glaube fest, es würde wieder funktionieren. Ich sollte es wieder mal probieren.
    Ich vermisse diese Insel.

    • wie schön, ja, genauso war dieses gefühl. und ja, föhr gibt einem was, mit seiner grünen ruhe und diesem unglaublichen watt mit seinem lichtspiel.

      ich schimpf jetzt mal: wieso hast du es seitdem nicht mehr probiert? na los *stups*

  9. Eine wunderbare Erfahrung, wirklich einmal alles loslassen zu können – wie schön, dass es dir so gut geht! 😀
    Aber ein Pony namens Katerwolf…? Etwas gewöhnungsbedürftig. :mrgreen:

    LG Christina

  10. Das mit dem gelösten Knoten hört sich fantastisch an. Und beweist mal wieder, dass die Zeit, wenn man sie denn zur Erholung bekommt, Wunder wirkt 🙂
    Deine Reitergeschichte beweist, dass der Himmel, Gott, Poseidon oder in diesem Fall sogar Manitu selbst für alle Fälle die richtige Lösung hat. Geht doch!
    Und sag mal: Ist die Nikon nicht mit? Da kommt doch noch was, oder?
    Liebe Grüße,Silke

    • liebe silke, danke dir von herzen ♥

      ne, hab die nikon nicht dabei, wollte das dann doch nicht. habe nur die kleine camera dabei und die sreikt. wird also keine fotos geben diesmal. dafür jede menge schöner, bildhafter gedanken.

      übrigens, am WE soll es hier regnen….

      liebe grüße, katerwolf

  11. vielleicht war dein Pferd ja gar kein normales Pferd sondern der Glück bringende geflügelte Pegasus … schau mal nach ob eine Feder im Stall liegt. Gibt es dort auch die absolut tollen Friesen? Gruß von kunstecht

    • pegasus, hach, was für ein schöner gedanke 🙂

      friesen gibt es hier nur wenige, wenn auch prachtvolle. dafür gibt es ein getränk, das sich „fieser friese“ nennt :mrgreen:
      hab ich aber noch nicht probiert!

      liebe grüße von friesenwolf

  12. Liebe Katerwolf, ich lese schon eine ganze Zeit lang mit und freue mich sehr über dieses neue Gefühl. Ähnliches, ein grenzenloses Glücksgefühl ohne jegliche Angst, habe ich auch schon mehrfach erlebt, immer wieder aufs Neue und immer an der Nordsee, am endlosen Strand, mitten in der Natur. Da stehe ich und möchte weinen, vor Erleichterung, vor Glück…. unbeschreiblich. Ich wünsche Dir ein Andauern oder ein Immer-Wiederkehren… alles Liebe für Dich !
    Carina

    • wie schön, lioebe carina, ich freue mich, dass du das erlebt hast und ich freue mich über deinen lieben kommentar.

      die nordsee hat hier, um die inseln herum, wirklich etwas beruhigendes, da hast du ganz recht. ebenso wie das watt mit seinem farbenspiel.

      alles liebe auch für dich, katerwolf

  13. Ich dachte mir schon, dass du „in Familie“ gemacht hast. Fein, dass es dir so gut geht (insbesondere der geplatzte Knoten!!!). Nimm das alles mit nach Hause und bewahr es dir.
    Ich habe damals vor meinem 1. Ausritt von meiner Cousine mitgeteilt bekommen, dass man beim Reiten nicht spricht. Dann verlor ich aber beide Steigbügel (nacheinander) UND den Zügel (frag mich nicht, wie ich das gemacht habe) und hing also wie ein nasser Sack im Sattel. Auf meinen Hilferuf drehte sie sich aber nur um und machte „Pssssccchhht“. Irgendwie habe ich mir dann die Steigbügel und den Zügel zurückerobert und kam stolz wie Bolle wieder auf dem Reiterhof an.
    Viel Liebes von hier, ich habe heute meinen letzten Arbeitstag vor dem Urlaub, Jippppiiiiiieeee!

    • liebe brigitte, ich seh dich wahrlich vor mir *lach* und bin froh, dass du am sonntag nicht vor mir auf dem pferd warst *grins*

      ich schicke dir viele, liebe, heute zur abwechslung wieder mal nasse, grüße von der nordsee, deine wattwolf

  14. Zu herrlich!! Das Welsh-Pony hat sich echt einen ganzen Sack Möhren verdient für diese Leistung 😀 Ich mag Welshies (egal ob A, B oder Cob), reagiere aber etwas empfindlich, wenn Shaman für eines gehalten wird 😉 Bei uns war mal eine Reiterin mit Haflinger (sehr talentiert, aber noch sehr jung und unerfahren) die ständig die Gerte drauf gehauen hat, wenn sie was verbockt hatte und der arme Kerl es nicht besser umsetzen konnte. Da hat der Reitlehrer sich die Gerte geben lassen und ihr vor versammelter Mannschaft jedes Mal einen Klaps verpasst, wenn sie einen Fehler gemacht hat 😉 Wirkung war super..hihi…

    Ich beneide Dich um die tolle Erfahrung durch s Watt zu reiten. Hoffe Du kannst es noch mal genießen, so lange Du da bist 🙂

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