„ich lasse sie jetzt vom lasso,“ sagte mir dr. w. vergangene woche bei der abschlussuntersuchung der radioonkologie. „sie müssen nun nicht mehr wiederkommen und ich wünsche ihnen, dass wir uns hier nie mehr wiedersehen!“ es ist die gleiche ärztin, die mich bei der 1. nachuntersuchung nach der bestrahlung aufforderte, jetzt einfach zu leben.
„leben sie!“
diesen satz werde ich so schnell nicht vergessen, denn er steht für so viel und drückt so genau aus, was diese erkrankung ausmacht: diesen brutalen einschnitt ins leben bei der diagnose; den daraus resultierenden verlust des vertrauens ins weiterleben; den verlust der zukunft; den wechsel zwischen resignation und kampf; die hoffnung und todesangst und dann, irgendwann, wieder der blick nach vorne und die langsam aus dem nebel auftauchende lebensperspektive. bei mir waren es ziemlich genau 5 monate nach der diagnose, als mir auffiel, dass ich wieder anfing, an mein überleben zu glauben. bis zu diesem zeitpunkt sagte ich mir wie ein mantra immer wieder: „du schaffst das. du wirst überleben. der krebs wird nicht zurückkommen.“ gleichzeitig merkte ich aber, dass mir der glaube daran fehlte. und dann, vor etwa 3 wochen, wurde mir mit einem mal bewusst, dass ich aus meinem tiefsten herzen wieder daran glaube, dass ich weiterleben werde. die gedanken in meinem kopf haben sich verändert und zu meinem eigenen erstaunen denke ich nun:
„ich kann das wirklich schaffen“
„ach was, ich werde das schaffen!“
„ich werde überleben“
„der krebs wird nicht zurückkommen“
„ich will unbedingt leben, denn das leben ist schön und ich habe noch so viel vor.“
wer sowas noch nicht erlebt hat, dem kann ich nur sagen: das ist ein echtes wunder. man bekommt eine diagnose, die dem tod tür und tor öffnet, der boden bricht unter einem auf und schickt einen ungespitzt lange zeit in die hölle und dann, nach und nach, siegt der glaube an und der wille zum leben. wie stark der lebenswille doch ist! mir ist dadurch bewusst geworden, wie wunderschön und einzigartig das leben ist. in diesem maße war mir das früher nicht bewusst. früher nahm ich das leben als selbstverständlich hin und haderte immer wieder ganz schön damit rum.
jetzt bin ich einfach nur zufrieden damit, dass ich es habe, das leben.
im augenblick passiert viel. ich gehe wieder öfters unter leute und damit meine ich nicht nur meine engsten freunde und familie, sondern auch bekannte. ich nehme wieder einladungen an und traue mich auch hinzugehen. und wenn ich dort bin, so wie gestern, habe ich tatsächlich spaß, unterhalte mich, lache viel. ich stelle fest, dass ich mich wieder über ganz normale dinge unterhalten kann und nicht ständig an meinen brustkrebs denke. ihr glaubt gar nicht, wie glücklich ich darüber bin.
hey, ich fange wieder richtig an zu leben!!!!!!!
das war vor 2 monaten irgendwie noch völlig unvorstellbar für mich. wenn mich heute jemand fragt, wie es mir geht, antworte ich: „mir geht es gut. sehr gut sogar.“ und ich meine das dann auch. das macht mich immer wieder aufs neue glücklich. tatsächlich geht es mir jetzt besser als die letzten, sagen wir mal 10 jahre. verrückt, oder? aber so ist das. ich habe das gefühl, dass mir jemand etwas weggenommen hat, was mir das ganz, ganz wichtig war und jetzt hat er es mir wieder zurückgegeben. für wie lange, das weiß ich nicht. aber wer weiß das schon? niemand.
so ändern sich die dinge. so ist für mich im moment der stand der dinge. am dienstag gehe ich 3 wochen in die reha. knapp 5 1/2 monate nach der diagnose, knapp 5 monate nach der operation. die diagnose war am 5. januar, die operation am 22, januar, 1 woche nach der operation habe ich mit der einnahme von tamoxifen begonnen, mitte märz bekam ich meine 1. zometainfusion und habe kurz danach, etwa 7 wochen nach der operation, mit der bestrahlung begonnen. parralel zur bestrahlung habe ich mit der akupunktur begonnen. am 30. april war die bestrahlung zu ende und ich habe meine erste zoladex-spritze bekommen. heute war mein vorläufig letzter akupunktur-termin. ich sage bewusst, vorläufig, denn ich will in etwa 6 monaten einen neuen antrag bei meiner krankenkasse stellen, da mich die akupunktur als methode sehr überzeugt hat. sie hilft mir, die immer wieder auftretenden nebenwirkungen der medikamente abzuschwächen und stabilisiert mich insgesamt sehr gut. das tamoxifen werde ich 5 jahre, das zoladex 2 und das zometa 3 jahre nehmen.
ich denke, dass die reha für mich eine art wendepunkt sein wird, denn nach der reha geht es langsam aber sicher wieder zurück ins berufsleben, nach 6 monaten. ein weiterer schritt zurück ins leben. der ruf des lebens, auf das er noch lange nicht verstummt.
aus diesem anlass, meine persönliche hymne der woche :