Ende mit Aussicht

Und jetzt ist es soweit. Ich bin durch. Ich meine, ich bin DU-HU-RCH. Fertig. Ende. Schluss. Kein Tamoxifen mehr, kein Enantone, kein gar nichts. Ich bin mit meiner Krebstherapie fertig. Hört ihr den Stein plumpsen?

Eigentlich wollte ich das gleich im Februar posten, warum ich das dann doch nicht gemacht habe, sondern erst jetzt tue? Zuerst war ich furchtbar aufgeregt, dann hatte ich XXL Schiss, dann war ich abgehoben euphorisch und jetzt sickert es langsam aber sicher in mein Bewusstein, kommt an.

Die letzten 4 Wochen meiner Therapie waren seltsam. Seit mir mein Doc bei der November-Nachsorge das Therapieende in Aussicht gestellt hatte, gingen merkwürdige Dinge mit mir vor – physisch und psychisch. Physisch war mir dauernd sehr schwindlig, ich hatte Herzstolpern und irgendwann dann Muffe, dass ich kurz vor einem Herzinfarkt oder Schlaganfall stehe. Auch psychisch hatte ich plötzlich Angst und war extrem zerstreut und launisch. Bis ich schließlich zu meinem Hausarzt ging, weil ich mir ernsthafte Sorgen machte. Nach eingehender Untersuchung und Gespräch sagte mir mein Hausarzt, für ihn sähe das nach massiven Nebenwirkungen von Tamoxifen aus, nach 5 Jahren hätte mein Organismus womöglich genug. Er sagte: „Setz das Zeug jetzt ab. Du bist gesund. Ab diesem Zeitpunkt fügen dir die Medikamente mehr Schaden zu, als sie dir nutzen. Besprich das mit deinem Gynäkologen.“

Habe natürlich gleich meinen Gyn angerufen und ihm das alles erzählt. Er meinte widerum, seiner Meinung nach seien die von mir beschriebenen Symptome psychosomatisch, er hätte das schön öfters erlebt, dass Patientinnen so kurz vor dem Therapieende – auf der Zielgeraden – solche Symptome aufwiesen. Dann lachte er und sagte: „Liebe Frau Katerwolf, Sie machen doch sowieso, was Sie wollen. Und das ist auch gut so!!! Ja, setzten Sie das Tamoxifen ab, ja doch. Es ist jetzt gut.“

Kinners, was soll ich sagen, hätte ich mich auf direktem Weg zum brasilianischen Karneval beamen können, ich hätte es getan. Und hätte mindestens 3 Tage lang bis zum Umfallen Samba getanzt.

So ist das also, 5 lange Jahre, mein Gott, wenn ich so zurückschaue – was für ein absolut einschneidender Lebensabschnitt.

Back to life jetzt? Ja, back to life. Dankbar, dass ich das alles überlebt habe. Immer noch bisschen ängstlich, dass es vielleicht doch noch nicht alles war. ABER, alles andere wäre auch gelogen, finde ich. Ich spüre, welcher unglaubliche Balast, welche Anspannung langsam von mir weicht. Spüre, dass nichts mehr so ist, wie es vorher war. Und spüre eine unbändige Lust aufs Leben.

Und wisst ihr, was ich jetzt in Angriff nehme? „Linker Mops“ endlich in Buchform zu bringen. Drückt mir die Daumen, dass das klappt 🙂

Hab euch immer lieb gehabt und werde euch immer lieb haben, euch, die mich all die Jahre begleitet habt!

Der Sonne nach :-)

Fast fünf Jahre ist es nun her. Seit ich den Knoten in meiner Brust tastete. Seit mein Leben in den Teilchenbeschleuniger geriet. Ich habe ein wenig das Gefühl, dass sich dieser Teilchenbeschleuniger seit kurzem langsamer dreht. Und langsamer. Und langsamer. Irgendwann im Februar wird er kurz anhalten und ich steige aus. Werde mit den Augen blinzeln und feststellen: „Ich bin wieder da.“ Ich werde mich ein wenig umschauen und mit einem Liedchen auf den Lippen losgehen. Irgendwohin. Egal. Der Sonne nach.

Irgendwann im Februar werden 5 Jahre vorbei sein. Wird meine Therapie vorbei sein. Ick freu mir so 🙂

Und bis dahin könnt ihr auf meinem Blog Katerwolfs Abenteuer von meiner neusten Reise nach Indien lesen. Bis später!

Fast 5 Jahre geschafft!

Hallo ihr Lieben, ich habe schon so lange nichts von mir hören lassen, dachte, es wird mal wieder Zeit 🙂 So oft erreichen mich noch mails und Kommentare mit Fragen, Anregungen,  gute Nachrichten, schlechte Nachrichten – so wie es eben ist, wenn man mit der Diagnose Brustkrebs konfrontiert wird. Viele von euch haben meine Geschichte, die im Januar 2010 begann, konstant mitverfolgt. Und jetzt, im September 2014, stelle ich fest: fast 5 Jahre sind seitdem vergangen. 5 Jahre, die mein Leben ganz schön auf den Kopf gestellt haben, auf den Prüfstand, die große Reset-Taste. Bald ist meine Therapie beendet, ich denke, ich Ende Januar oder Februar werde ich meine letzte Tamoxifenpille schlucken. Und es wird auch wirklich die LETZTE sein, denn, und jetzt hör mir gut zu, du Brustkrebs: Musst nicht wiederkommen. War eine Bekanntschaft, die ich nicht gesucht habe. Du hast mich gesucht und gefunden, hast mich vorher nicht gefragt. Und ich? Wäre um ein Haar gestorben. Dachte eine ganze Weile, dass ich das alles nicht schaffe. Und dann habe ich beschlossen, die Herausforderung anzunehmen. Denn: Was bleibt einem anderes übrig, als die Situation letztendlich zu akzeptieren? Die Herausforderung und den Kampf anzunehmen? Sich der Angst vor dem Tod zu stellen? Lernen, wieder Vertrauen in sich selbst und das Leben zu fassen? Und schließlich wieder lernen, das Leben zu lieben und daran zu glauben, dass es einem doch länger erhalten werden bleibt, als man zunächst dachte? Und dass das Leben ein einzigartiges Wunder ist. Und dass es endlich ist. Dass man so ist, wie der Rest der Welt.

Es ist eine harte Prüfung. Wenn ich eure Kommentare der letzten Jahre lese, wird mir einmal mehr bewusst, was es bedeutet, an Brustkrebs zu erkranken. Für einen selbst, für die Familie, die Freunde. Keine einfache Sache.

Heute, fast 5 Jahre später, kann ich sagen: Ich blicke auf eine intensive Zeit zurück. Fast so, als würde ich jetzt ein 2. Leben leben. Ich habe das Leben immer geliebt und gelebt, war immer eine Abenteurerin. Und heute bin ich es wieder, fast noch mehr! Und, so Gott will, werde ich auch mit 90 noch eine Abenteurerin sein 🙂

Mit diesem Foto, das vergangene Woche in Andalusien, in einem kleinen Dorf namens Bolonia entstand, schicke ich euch sonnige, liebe, kraftvolle Grüße. Warum dieses Bild? Weil es sehr sehr viel mit meiner Erkrankung zu tun hat. Es gab eine Zeit, kurz nach meiner Operation, in der ich versuchte herauszufinden, was mich in dieser schweren Zeit.wieder glücklich machen könnte. Und ich fand heraus, dass ich wieder anfangen möchte zu reiten. Also habe ich es getan. Und es macht mich seitdem sehr, sehr glücklich 🙂

Eure Katerwolf

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Brustkrebs, 4 Jahre nach der Diagnose

Hey, ihr da, meine lieben Blogleserinnen und Blogleser! Obwohl ich auf diesem Blog kaum noch unterwegs bin, sehe ich, dass er noch sehr rege gelesen wird. Und nach wie vor erreichen mich häufig persönliche Anfragen per mail, die sich auf meine Erfahrungen mit meiner Brustkrebserkrankung beziehen. Da dachte ich, ich schreibe einfach mal wieder was, ok? 🙂

Habe heute daran gedacht, dass seit meiner OP im Januar 2010 tatsächlich schon über 4 Jahre vergangen sind. 4 Jahre, seit mein Leben neu begonnen hat. So sehe ich das immer noch. Die Diagnose damals hat mich so kalt erwischt und war so ein harter Einschnitt, dass mir das damals sehr die Augen geöffnet hat. Über mich. Über das Leben. Den Tod. Die Vergänglichkeit. Über die einzigartige, kostbare Schönheit des Lebens. Und darüber, wie schnell alles vorbei sein kann. Das Schicksal einiger Weggefährtinnen, die ich in dieser Zeit kennengelernt habe, sei es durch meinen Blog, sei es durch die Rehas oder im privaten Umfeld, verdeutlicht mir einmal mehr, wie viele Frauen betroffen sind und wie ähnlich es uns allen geht. Jede macht ihre eigenen Erfahrungen und hat ein unterschiedliches Empfinden. Das Gefühl, „aufgewacht zu sein“ bzw. ein neues Leben angefangen zu haben, das habe ich jedoch von sehr vielen gehört.

Ich nähere mich dem Ende meiner Therapie. Ende Januar war die OP, Anfang Februar begann die AH-Therapie mit Tamoxifen, das ich immer noch nehme und Zoladex, das ich seit Mai 2013 wieder nehme. Aber nicht wegen Brustkrebs sondern wegen der Blutungen, die ich etwa zur gleichen Zeit im Jahr 2013 bekam. Die Zometa-Therapie ist abgeschlossen, Tamoxifen werde ich voraussichtlich noch bis Anfang 2015 nehmen. Und dann? Wir werden sehen. Ich hoffe, dass der Brustkrebs oder irgendein anderer Krebs nie mehr zurückkommen werden. 

Ich denke nicht mehr dauernd an die Erkrankung. Zumindest nicht mehr aktiv. Im Unterbewusstsein ist es natürlich da. Aber die Angst hat viel von ihrem Schrecken verloren. Das Vertrauen wird immer größer und gleichsam der Glaube ans weitere Überleben. Ich hoffe, das bleibt so. Ich hoffe, ich bleibe gesund.

Ich finde, ich habe für mich einen guten Weg gefunden, mit der Erkrankung umzugehen. Habe mir Hilfe geholt, wo es mir sinnvoll erschien, bei meinen Ärzten, bei meinem Psychoonkologen, bei Familie und Freunden. Ich habe mein Arbeitspensum reduziert und meiner Freizeit mehr Raum gegeben. Ich habe mich von einigen „alten Zöpfen“ getrennt und mir ein paar neue, schöne wachsen lassen. So habe ich wieder mit dem Reiten angefangen und die Tatsache, dass ich kurze Zeit später ein Pferd geschenkt bekam, bestärkt mich darin, richtig entschieden zu haben. Ich habe einen zweiten Hund 🙂 Ich reise viel. Und ich bin unendlich dankbar, dass ich das alles so machen kann. Weil ich lebe und weil ich das Glück habe, die nötige Unterstützung zu haben. 

Früher habe ich das nicht so wahrgenommen. War viel und oft unzufrieden, deprimiert. Das ist jetzt anders. Ich nehme mein Privileg, gut leben zu können und überhaupt leben zu können, deutlich intensiver wahr. Früher habe ich mit meinem Leben ab und an „Schindluder betrieben.“ Jetzt ernähre ich mich besser, mache Sport, lebe mit einem Mann zusammen, der mir gut tut und gönne mir Dinge, die ich früher auf „irgendwann später“ geschoben hatte. Weil ich erlebt habe, dass es manchmal kein „später“ gibt. Schneller als man denkt. Ich bin duldsamer mit mir selbst, bin netter zu mir selbst. Und bin nicht mehr sauer auf meinen Körper, weil er so krank geworden ist, mich im Stich gelassen hat. Irgendwann muss man damit aufhören, sich selber auszubeuten, sondern damit anfangen, sich Gutes zu tun. Vielleicht versteht ihr, was ich damit meine?

Ab und an haut es mich um. Ich bin einfach nicht mehr so belastbar wie früher. Aber ich lerne es zu akzeptieren. Heute habe ich meine Enantonespritze bekommen und bin für den Rest der Woche krankgeschrieben, weil es mich beutelt. Aber das ist so. Ich lebe. Ich bin glücklich.

Es ist schön, dass die Sonne scheint.

Blutrausch

Nach 2 1/2 Jahren Tamoxifen und meinem 50sten Geburtstag im vergangenen November hatte ich mich von dem Gedanken, jemals wieder meine Tage zu bekommen, verabschiedet. Und dann gestern die Überraschung. Nach mehrtätigem Ziehen im Unterleib und der leisen Befürchtung, die Ausschabung vom 5. März habe vielleicht doch Spuren hinterlassen, starrte ich gestern Abend verwundert und ein wenig ratlos auf den wahren Grund dieser Symptome. Seltsames Gefühl. Früher hasste ich es, meine Tage zu bekommen, hielt die monatlich wiederkehrenden Schmerzen und Migräneanfälle für verzichtbar und eine ungerechte Laune der Natur.

Und nun? Fast freue ich mich darüber, fühle Erleichterung und auch eine Form der Entspannung. Wie soll ich das Gefühl beschreiben? Vielleicht so: Es ist irgendwie ein verdammt gutes Gefühl, zu spüren, dass man doch noch Frau ist. Denn genau dieses Gefühl, das Frau-Sein, wird einem durch die Erkrankung und die nachfolgende Therapie genommen. Zumindest empfinde ich es so und hatte die letzten Jahre, seit der OP im Januar 2010, häufig das Gefühl, nicht mehr richtig Frau und vorzeitig gealtert zu sein. Jetzt kommt das Gefühl wieder zurück, war doch nicht ganz verloren. Ein schönes Gefühl. So ändern sich die Dinge.

Als ich meinem Mann heute beim Frühstück sagte: „Na, so ein Mist, jetzt werde ich die Wechseljahre, nachdem sie Tamoxifen bedingt vorzeitig hervorgerufen wurden, wohl noch ein zweites Mal bekommen!“ antwortete er mir: „Sei doch froh! 2010 dachtest du, du würdest deine Wechseljahre gar nicht mehr erleben. Und jetzt wirst du sie sogar 2x erleben. Ist doch toll, freu dich!“ Ich liebe seine positive, pragmatische Art.

Apropos Blutrausch: Hierzu schreibe ich gerade einen Beitrag ganz anderer Natur auf meinem zweiten blog Katerwolfs Abenteuer.

Tamoxifen und Nebenwirkungen

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Anfang letzter Woche war ich an einem Punkt angelangt, jetzt mal langsam einen Schlussstrich unter die letzten 3 Jahre zu ziehen. Klar, im Hinterstübchen bleibt er hocken, der Krebs, aber es kommt die Zeit, in der man sich nicht mehr groß damit beschäftigen will. Ich habe eine gute Prognose, habe die letzten 3 Jahre getan, was ich tun konnte, habe mich nicht unterkriegen lassen, Therapie gemacht, regelmäßig zum Psychoonkologen, Sport, gute Ernährung, 3 Rehas, Job reduziert, mir ein paar Träume erfüllt. Alles gut. Alles richtig gemacht. Und daher gedacht: „Jetzt ist mal gut. Das wars. Ja, vielleicht wars das jetzt“.

Letzten Donnerstag dann die Nachsorge. Brust gut. Mammographie, Ultraschall, Blutwerte gut. Alles gut. Dann der Ultraschallblick in den Unterleib. Rotinecheck alle 6 Monate wegen der bekannten Tamoxifen-Nebenwirkung Gebärmutterschleinhautverdickung.  Erschrockenes Gesicht meines Gynäkologen: „Was haben wir denn da? Wann hatten Sie Ihre letzte Regel?“ Ich: „2010.“ Er: „Aha. Ok. Dann ist da jetzt was drin, das raus muss.Zügig.“

In meiner Gebärmutter hat sich in den letzten 6 Monaten ordentlich Gebärmutterschleimhaut aufgebaut und ein dicker Polyp sitzt auch drin. Nun muss ich am 4.3. unters Messer, Ausschabung und 4 Tage später dann das Ergebnis. Es muss abgeklärt werden, ob es „nur“ ein Polyp ist. Oder vielleicht doch etwas anderes. Krebs.

Warum? Blöde Frage, ich weiß.

Wisst ihr, ich habe meine Diagnose 2010 echt meisterhaft bewältigt. Meine Psyche war bis letzten Donnerstag ganz schön stabil. Das Leben wieder zugelassen. Jetzt wieder ein Damoklesschwert über meinem Kopf. Wenn man einmal in der Situation war, zu hoffen, dass man „nur“ einen harmlosen Knoten in der Brust hat und dann erfährt, dass es ein bösartiger Tumor ist, dann ist das Prinzip Hoffnung nicht so wahnsinnig stark ausgeprägt, wenn ein neuer Verdacht auftaucht. Das habe ich am Donnerstag gemerkt. Die mühsam aufgebaute Psyche klappte zusammen wie ein Kartenhaus. Jetzt sitze ich da, versuche mich abzulenken, bange vor Montag, bange vor Donnerstag. Denke Sachen, wie: „Was ist, wenn es wieder Krebs ist. Und wenn ja, warum? Ich dachte, ich hätte eine gute Prognose. Was, wenn der Krebs nach nur 3 Jahren zurückgekehrt ist? Wird er mich dann bald ganz auffressen?“

Ich bin dünnhäutiger geworden. Alles Scheiße gerade. Hab die Hose gestrichen voll.

Screening

Letzte Woche einen offiziellen Brief erhalten, dass ich nun, da ich fünfzig bin, an einem kostenlosen screening meiner Brüste teilnehmen darf. Mit Termin. Nachdenklich hielt ich den Brief in meiner Hand. Dann rief ich an.

„Guten Tag, ich habe diese Einladung vom Screening von Ihnen erhalten. Mit Termin.“

„Ah ja, das ist doch schön. Wann können Sie denn kommen?“

„Also, ich, ähm, also mein Termin war schon. 2010.“

„?“

„Also, naja, ich hab schon. Also, ich bin schon. Ich meine, ich bin bereits eine Nachsorgepatientin.“

„Verstehe.“ *Stille* „Also, ich streiche Sie dann von unserer Liste. Alles Gute und einen schönen Tag noch.“

„Ja, danke, Ihnen auch.“

Tja, so Sachen passieren dann. Man sitz dann da und wird ziemlich nachdenklich.

Rehageflüster: Achtsamkeit

macht ihr das auch: nicht achtsam genug mit euch sein? beharrliche hilferufe des körpers so lange ignorieren, bis sie so laut werden, dass man sie nicht mehr ignorieren kann? das flüstern der seele so lange missachten, bis die seele schreit? den rufen des geistes so lange den mund zu verbieten, bis er schweigt?

warum macht man das eigentlich? seinen körper, geist und seine seele so lange zu benutzen und auszunutzen, bis sie ganz leer sind, matt und erschöpft. und sich dann zu wundern, warum das so ist. und dann noch mit sich zu schimpfen. deswegen deprimiert zu sein.

warum ist man so streng mit sich? sagt sich so oft: „nun stell dich nicht so an!“ „na, komm schon, ein bisschen geht noch was!“ „sei nicht so eine mimose!“

ist es so schwer zu verstehen, dass man körper, geist und seele die nötige achtsamkeit, pflege, fürsorge und liebe zukommen lassen muss, um all das zurückzubekommen, was einen leicht und sicher durchs leben trägt? und nicht erst dann zu reagieren, wenn man am boden liegt?

scheinbar schon.

heute morgen erst wieder den roten knopf gefunden. auf die frage der physiotherapeutin hin, die meine rechte schulter, in der sich verspannungen in backsteingröße befinden, seit 3 wochen massiert. „seit wann haben sie das?“ „hm, seit einigen jahren.“ „und warum haben sie bislang nichts dagegen getan?“ „hab ich doch. ich gehe alle 2 jahre zum orthopäden, wenn es ganz schlimm wird, und lasse mich osteopathisch behandeln und spritzen.“ „nein, ich meinte, warum tun sie nichts dagegen, dass das weg geht und wegbleibt?“ „äh, wie meinen sie das?“ „massagen, entspannen, tapen, solche sachen eben.“ das war dann der rote knopf. jou, frau katerwolf, warum machst du da nichts? hast dich schon so an deine ständig schmerzende schulter gewöhnt, von der du regelmäßig kopfschmerzen bekommst und dann ein paracetamol reinpfeifst. ist ja bloß die schulter. stell dich nicht so dran.

man muss nicht unbedingt so lange warten, bis es krebs wird. geht auch vorher.

wenn ich nach hause komme, werde ich mich meiner schulter mal liebevoll widmen. arme, kleine schulter.

achtsamkeit.

Rehageflüster: Beobachtungen am Rande

ich habe gestern einen der schönsten sonnenuntergänge meines lebens gesehen. in sylt kann man, wenn man glück hat, sonnenuntergänge sehen, die einem die sinne rauben. lange und dramatisch versinkt die sonne glutrot in der see und taucht meer, himmel und sand in eine pastell-farbpalette, wie man sie nur von nolde-gemälden kennt. einfach nur schön.

so saß ich gestern abend vor meiner sylt-lieblingskneipe wonnemeyer, den hintern im warmen sand, in der hand einen caipi, coole loungemusik in den ohren, augen und sinne beim sonnenuntergang. das leben kann schon ganz schön toll sein. nun kann man nicht 2 stunden ununterbrochen die sonne anstarren. also lasse ich gerne meine augen über die zahlreich versammelten sonnenuntergangsanbeter schweifen. interessant, interessant. es gibt ihn, den klassischen sylt-urlauber. er sieht nach viel geld aus. aber gar nicht mal von der unangenehmen sorte, also marke neureich. vielmehr seit jahrhunderten reich und entspannt. keine schlechte kombi. man sieht viele entspannte, gutaussehende paare um die dreißig mit kindern. die männer tragen ausnahmslos hollister, abercrombie oder la martina. die haare sind entweder kurz und an den schädel gegelt, oder etwas länger, lockig und ebenfalls an den schädel gegelt.  die entsprechenden frauen gehören zur kategorie klon-blondie: schlank, stupsnase, pilotenbrille, blonder pferdeschwanz (zu hause sicher einen bmw x3 in der garage, der serienmäßig mit golden retriever geliefert wird). die kinder tragen hollister und abercrombie und sehen aus wie eine miniaturausgabe ihrer eltern.

man sieht auch viele alte, nicht so schöne männer, immer noch sehr lässig, mit deutlich jüngeren, bildschönen gattinnen und tragischerweise hässlichen kindern, die genetisch bedingt nach dem alphavater geraten sind. pech.

in der regel haben sie viele hunde, was sie mir sympathisch macht. es ist doch zu schön, eine tobende hunderasselbande vor einem sonnenuntergang zu beobachten. ich gehe heute abend nochmal los. gestern war die rede von einem perfekten sonnenuntergang heute. ich nehme die kamera mit, dann habt ihr morgen auch was davon 😆

macht es gut, ihr lieben, eure sylt-wolf

Rehageflüster: Kleine Lästerstunde

vielleicht habt ihr es schon gemerkt, dass ich mich diesmal mit reha-lästereien zurückhalte. ich bin zugegebenermaßen ein wenig von meiner letztjährigen reha-läster-begebenheit traumatisiert. ihr erinnert euch: ich wurde noch in der klinik von einem mitpatienten enttarnt. peinlich, peinlich.

tief in mir sitzt die angst, dass, während ich ahnungslos tratsch blogge, plötzlich eine walküre auf mich zurast, mich am kragen packt, schüttelt und brüllt: „sooooooo, ICH bin also die fette wuchtbrumme mit oberlippenbart, die in ihren kräutertee sabbert?????“

aber so ganz ohne tratsch geht es nicht. außerdem reise ich nächsten montag ab. also, los gehts, wen hätten wir den da *händereib*

fangen wir mit meiner ganz speziellen freundin an, annabelle. annabelle ist chronisch gut drauf. sie ist durchtrainiert, jüngeren datums, stets dynmischen schrittes unterwegs, die trendigen sportklamotten sitzen perfekt, der dunkle pferdeschwanz wippt frohgemut im takt. annabelle sprüht vor lebensfreude und munterkeit. im speisesaal lacht sie am lautesten. abends in der kneipe um die ecke auch. annabelle kennt jeden, liebt jeden, umarmt jeden. annabelle ruht ganz in ihrer mitte und fordert ihre gesamte umgebung auf, ebenfalls seine mitte zu suchen. sie findet alles und jeden SUPPPIII!!! wenn man annabelle dreimal hintereinander aus nächster nähe erlebt hat, möchte man ihr gerne eine große socke in den mund stecken, wahlweise ihren hals ein paarmal umdrehen.

wen hätten wir noch? ahhh ja, die reha-irre. in jeder reha gibt es eine reha-irre. dieses jahr ist es mäggie. mäggie, mit betonung auf gg, ist undefinierbaren alters und ähnelt einer mumie. sie ist ausgedörrt, gestählt, trägt eine art indianerstirnband und bewegt sich mit einer dynamik, dass es einem angst und bange wird. sie wirkt, als wäre sie in einer mission unterwegs. im zirkeltraining powert sie wie ein duracellbatteriebetriebener hase, im nordic walking ist sie immer die erste, im frühsport rast sie im kreis herum wie gedoped und stürzt sich im anschluss bei jedem wetter in die nordsee.

„kein schöner anblick mehr.“ konstatierte heute morgen eine mitpatientin trocken.

ebenfalls in jeder reha gibt es den aufreißer. im letzten jahr war es jochen, der auf dicke frauen stand. dieses jahr ist es mäx. mäx ist mittelgroß, dynamisch, und sehr läääässig, schmissig. er geht federnden schrittes durch die rehaanlage, fährt sich grinsend durchs haar und verteilt petzaugen. und legt die eine oder andere flach. vermute ich jedenfalls. da ich ihn schon mehrfach abends in wechselnder, giggelnder begleitung gesichtet habe. er erinnert mich an meinen exmann. ganz schlecht.

ich hätte noch eine terror-else anzubieten. sie ist etwa 100, hat eine sagenhafte turmfrisur und begleitet ihren etwa 200 jahre alten mann. und terrorisiert ihn. er hat klumpfüße und krücken. sie einen rollator. mit dem rollt sie wie eine furie im foyer herum und managed ihren armen mann. gerade sitzt er etwas erledigt vor der großen frontscheibe im foyer. schön im schatten einer gardine, da die sonne reinknallt. sie zieht sie auf, damit er licht hat. „du brauchst licht, LICHT!“ schmunzelnd beobachte ich, wie sie gerade zur rezeption rollt und er schnell und heimlich die gardine wieder zuzieht und unschuldigt guckt.

und ich gucke jetzt mal in den speisesaal, das mittagessen ruft. und heute nachmittag pack ich die badehose ein und hau mich sowas von an den strand.

macht es gut, ihr lieben, eure bikiniwolf